„Das Brautkleid ist langweilig, roséfarben ist doch jetzt im Trend! Die Location ist so gewöhnlich, kein Esprit! Das Essen? Barbecue macht doch jeder und die Torte schon wieder ein Erdbeerherz – wie langweilig! Und bei der Trauung hätte ich mir noch mehr Tränen vom Bräutigam gewünscht! Alles in allem war die Hochzeit nicht PERFEKT!“
Gestern habe ich mir mit meiner Mama seit Ewigkeiten mal wieder diese Fernsehsendung angeschaut, bei der vier Bräute aus ihrer Hochzeitsfeier einen Wettkampf machen. Ganz ehrlich, ich finde es einfach nur schrecklich und traurig, wie Menschen freiwillig einen Meilenstein, den Tag an dem sie ihre Liebe zelebrieren, von anderen Menschen, Fremden, so madig reden lassen.
Was bitte heißt denn „nicht perfekt“?
Bei kaum einem Lebensthema wird das Wort „perfekt“ wohl so oft genutzt wie beim Heiraten. Da jeder hofft, dass er nur einmal im Leben zu einem Partner „Ja“ sagt, soll dieser einmalige Tag natürlich etwas ganz Besonderes sein, ein Tag, an den man nicht nur selbst ein Leben lang gerne zurückdenkt, sondern über den auch die Gäste nach Jahren noch voller Bewunderung sprechen – ein ganz schön hoher Anspruch an einen Tag!
Die meisten Paare machen sich unglaublich viele Gedanken, wie sie ihre Hochzeit gestalten wollen: Beginnend bei der Einladungskarte, über ihre Kleidung, die Trauung, das Menü bis hin zur Platzkarte für ihre Gäste. Schnell wird aus purer Planungsfreude purer Druck – Kein Wunder bei all den Inspirationen in Hochglanzmagazinen und im Internet. Die eigene Erwartungshaltung steigt! Natürlich wissen auch die Lieben um einen herum wie man „richtig“ heiratet.
Was braucht es denn nun für die perfekte Hochzeit?
Ich durfte in den vergangenen Jahren so viele unterschiedliche Paare bei ihrem Ja-Wort begleiten, habe die verschiedensten Locations, Dekorationen und Brautkleider gesehen. Und was gefiel mir am besten? Welche Hochzeit war perfekt?
Die auf dem Schloss mit opulenter Blumendeko, zehn Brautjungfern und einem professionellen Streicherquartett? Die Trauung in einer alten Scheune, bei der sich die Freundinnen um die Dekoration kümmerten, das Paar gemeinsam zu den Gitarrenklängen eines Freundes einzog und ihre Mütter die Eheringe brachten? Oder verdient die Zeremonie im Kinosaal die Auszeichnung „perfekt“, bei der die Location für sich wirken sollte und das Paar statt vor einem gigantisch geschmückten Traubogen, lieber passend vor der Leinwand saß, während die Gäste an ihrem Popcorn knabberten.
Nun sag schon, Sarah, welche war perfekt?
Sie waren es alle! Und das schreibe ich jetzt hier nicht, weil ich neutral bleiben will oder höflich, sondern weil all diese Paare trotz ihres unterschiedlichen Geschmacks etwas eint – sie haben gestrahlt, sie waren glücklich, sie haben IHREN Tag genossen. Sie alle haben ihren Hochzeitstag so gestaltet, wie es ihnen gefällt, wie er zu ihnen passt, wie sie es sich gewünscht haben und das hat man ihnen nicht nur angesehen, sondern auch sofort gespürt.
Denn was passiert, wenn ihr es insbesondere anderen Menschen Recht machen möchtet? Wenn ihr euch in den Strudel des Perfektionismus reißen lasst?
- Ihr werdet niemals zufrieden sein, jede eurer Entscheidungen infrage stellen und das Gefühl haben, dass euer besonderer Tag nicht besonders genug ist.
- Der innere Stress und diese Unzufriedenheit führt schnell zu Streit mit dem Partner. Wie traurig, plant ihr doch eigentlich das Fest für eure Liebe.
- Am Tag eurer Hochzeit werdet ihr nicht loslassen können von eurem Drang nach Perfektionismus. Plötzlich fällt auf, dass das Rosé der Servierten eine Nuance heller ist als die Blüten des Brautstraußes und schon ist der Tag ruiniert. Wollen wir noch gar nicht daran denken, was passiert, wenn plötzlich Regenwolken aufziehen, wobei die Trauung doch für draußen unter den Weidebäumen geplant war. Die Laune hat den Tiefpunkt erreicht, die Mundwinkel hängen gen Boden und diese Stimmung überträgt sich auch auf wen? Auf eure Gäste!
Ihr Lieben, ganz ehrlich, niemand wird sich daran erinnern, ob die Einladungskarte denselben Farbton wie die Blumenkränze auf den Tischen hatte oder die Stuhlhussen weiß oder cremefarben waren. Eure Familien und Freunde werden sich an die Stimmung, das Lachen, die Tränchen der Rührung und ihre Emotionen erinnern, denn Gefühle prägen sich besonders stark ein.
Und noch etwas bleibt im Gedächtnis, die Momente, die nicht perfekt, aber gerade deshalb so lustig, so ehrlich, so authentisch, so herrlich unperfekt waren. Wie eine der zehn Brautjungfern, die nicht wusste, dass die Schuhfarbe creme und nicht rosa sein sollte. Der Hund, der sich jaulend losgerissen hat, um beim Brautpaar, seinem Herrchen und Frauchen, vor den Füßen zu liegen. Die Sängerin, der plötzlich die Hintergrundmusik ausfiel und die Gäste stattdessen den Takt klatschten. Der Ehering, der tags zuvor noch über den Brautfinger glitt und bei seinem großen Auftritt etwas Spucke brauchte. Die Hochzeitstorte, die wegen des dekorativen Feuerwerks flambiert genossen wurde oder der Brautstrauß, der nicht wie geplant in der Hand einer Freundin landete, sondern den Kopf von Oma traf, die doch schon 50 Jahre verheiratet ist. Solche Momente und die fröhlich-lockere Stimmung ist es, an was man gerne zurückdenkt.
Darf ich etwa nicht mehr in Hochzeitsmagazinen blättern?
Doch wie entkommt man dem Perfektionsmuswahn? Darf man sich etwa nicht die schönen Seiten auf Pinterest, Blogs mit gestellten Styleshoots und Co. angucken? Na klar, dürft ihr das! Vorbereitungen treffen, Ideen sammeln, sich so auf den Tag freuen macht total Spaß. Aber genau das sollte euer Gradmesser sein – Spaß! Hört auf eure innere Stimme, redet miteinander, wie sich der Andere den Hochzeitstag vorstellt, hört auf eure Feier mit der von Freunden, Bekannten oder sogar Stars messen zu wollen. Bleibt lieber bei euch, vertraut in euren Geschmack, gestaltet euren Tag, so wie ihr ihn euch wünscht. Und denkt daran, das „perfekt“ im Auge des Betrachters liegt, ihr werdet es nicht für alle „perfekt“ machen. Das sollte aber auch nicht euer Anspruch sein, sondern seid mutig, bleibt ihr selbst, bleibt echt.
Ich bin mir sicher „ECHT SEIN“ ist das neue „perfekt sein“!
Fotos: Stefanie Heitmüller (www.stefanie-heitmueller.de)
Location: Restaurant Basil in Hannover